Wenn das Gras nicht mehr wächst – Wie der Klimawandel Frankreichs Käsekultur bedroht

In den grünen Tälern und Hochlagen der französischen Mittelgebirge entstehen seit Jahrhunderten einige der aromatischsten Käse der Welt: Bleu d’Auvergne, Cantal, Salers – Namen, die für Handwerk, Landschaft und Geschmack stehen. Doch genau dieses Terroir, das diesen Käsen ihre unverwechselbare Identität verleiht, gerät nun unter Druck. Der Grund: Der Klimawandel.

 

Weniger Gras – weniger Geschmack?

 

Wie die französische Wirtschaftszeitung Les Échos berichtet, wächst das Gras in den Höhenlagen der traditionellen Käsegebiete heute deutlich spärlicher als früher. Längere Trockenperioden und veränderte Wetterlagen setzen den Weiden zu. Doch für Käse mit AOP-Siegel (Appellation d’Origine Protégée) ist der Anteil an frischem Weidegras in der Fütterung kein Detail – sondern Vorschrift. Diese Vorschrift schützt nicht nur die Herkunft, sondern sichert auch Qualität und Geschmack.

Eine aktuelle Studie des staatlichen Agrarforschungsinstituts Inrae zeigt, wie sensibel Käse auf die Fütterung der Kühe reagiert. Je höher der Grasanteil im Futter, desto gelber, schmelzender und aromatischer wird der Käse. Auch gesundheitlich bringt Grasfütterung Vorteile: Die Milch enthält mehr Omega-3-Fettsäuren, die sich ebenfalls im Käse wiederfinden. Werden Kühe hingegen hauptsächlich mit Maissilage gefüttert, ist der Käse fester, blasser und weniger ausdrucksstark.

 

Eine Tradition unter Druck

 

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Rund 250.000 Tonnen herkunftsgeschützten Käse produzieren Frankreichs Käsereien pro Jahr – ein Markt mit einem geschätzten Umsatz von 2,4 Milliarden Euro. Doch sowohl die Produktionsmengen als auch die Zahl der Betriebe sind rückläufig. Das macht die Situation nicht nur zu einer Frage des Geschmacks, sondern auch zu einer wirtschaftlichen Herausforderung.

Hubert Dubien, Vorsitzender des Nationalrats für Milch-Ursprungsbezeichnungen, warnt: Die Erzeuger müssen sich anpassen, wenn sie ihre Zukunft sichern wollen. Doch einfache Lösungen gibt es nicht.

 

Zwischen Innovation und Tradition

 

Im Dürrejahr 2022 griffen einige Käsereien notgedrungen zu Heu aus weniger betroffenen Nachbarregionen – ein Kraftakt in Logistik und Kosten. Andere denken über eine Erneuerung ihrer Weiden nach, um robustere Grasarten anzusiedeln. Auf Versuchshöfen wie in der Ardèche wird außerdem der Anbau trockenheitsresistenter Pflanzen wie Sorghum, Chicorée oder Spitzwegerich erprobt. Erste Ergebnisse sind vielversprechend: Der Geschmack der Käse bleibt stabil, die Aromen erhalten ihre typische Tiefe.

 

Fazit: Terroir braucht Zukunft

 

Was wie eine Fachdebatte über Kuhfutter klingt, ist in Wahrheit ein Weckruf: Wenn wir die Authentizität, Vielfalt und Qualität traditioneller Käsekulturen erhalten wollen, braucht es nachhaltige Lösungen und politische Unterstützung. Der Klimawandel verändert das Terroir – die Antwort darf nicht sein, es einfach zu ignorieren. Denn guter Käse beginnt nicht in der Käserei – sondern auf der Wiese.

 


 

Was Thekenkräfte und Feinkosthändler mitnehmen können:

 

  • Wissen schafft Vertrauen: Erzählt euren Kunden, warum grasgefütterte Milch ein Qualitätsmerkmal ist.

  • Nachhaltigkeit kommunizieren: Zeigt, wie regionale Erzeuger auf den Klimawandel reagieren.

  • Bewusstsein schaffen: Wer den Unterschied schmeckt, wird Herkunft bewusster kaufen.

 

Der Käse der Zukunft entsteht heute – mit Weitblick, Mut und dem festen Willen, Qualität nicht dem Klimawandel zu opfern.

Quelle: Proplanta – Klimawandel bereitet Frankreichs Käseherstellern Probleme